Landschaftliche Struktur

Die Unterteilung der Dolomitenlandschaft in ihre wichtigsten Landschaftstypen dient dazu, die häufigsten und in der ganzen Region wiedererkennbaren Strukturen hervorzuheben.
Diese Landschaftstypen sind das Ergebnis des engen Verhältnisses zwischen Gesteinsbeschaffenheit, landschaftlicher Struktur und Beschaffenheit der Vegetation.

Die diese Landschaft kennzeichnenden morphologischen Komponenten (Oberflächenformen) lassen sich in vertikaler Reihenfolge (von unten nach oben) so beschreiben:

1. breite, leicht gewellte Sockel unterschiedlichsten Ursprungs;

2. mächtige Schutthalden, die den Fuß der Kalk- und Dolomitwände umgeben;

3. weitläufige Hochflächen, die die Felswände unterbrechen und starke Farbkontraste erzeugen;

4. hohe, steil aufsteigende weiße Felswände in vielfältigen Formen (Reliefenergie).

Daneben bereichert auch die Vegetation die Landschaft: um ökologische und landschaftliche Werte wie Biodiversität, Vielfalt natürlicher Lebensräume und Vegetationsgemeinschaften, jahreszeitlich bedingte Fülle und farbliche Veränderungen.
Zwei getrennte Höhenstufen bedingen die Vegetation. Die Zone unterhalb der Waldgrenze wird durch Nadelwälder und subalpine Zwergsträucher charakterisiert, jene oberhalb durch alpine Rasen und die verschiedenen, auf Fels und Schuttfluren vorkommenden Vegetationsgesellschaften, von denen viele ausschließlich in den Dolomiten zu finden sind.
Die landschaftliche Struktur ist dynamisch und hängt von natürlichen Faktoren (Klima, Bodenbeschaffenheit, Höhenmorphologie) sowie menschlichem Einfluss (Mahd, forstliche Nutzung, Wasserquellen, Hangstabilität) ab.

Geomorphologischen Struktur

Spektakuläre Gipfel, entstanden im Lauf der Zeit

Die Dolomiten bestehen aus verschiedenen Gebirgssystemen, die eine außergewöhnliche geomorphologische Einheit darstellen. Das vielfältige Erscheinungsbild des Gebirges aus Türmen, Felsnadeln, Zinnen, Kalk- und Dolomitwänden, Jöchern, vulkanischen Felsburgen, sanften Geländeformen, Schuttfächern, Bergsturzmassen, Verebnungen, Seen und Schluchten hat seinen Ursprung in der komplexen geologischen Struktur und in den vergangenen beziehungsweise aktuellen klimatischen Bedingungen. Zum Verständnis dieser Geländeformen gilt es, sowohl ihre morphologische Vielfalt als auch die Entwicklungsgeschichte selbst zu betrachten. Die Monumentalität, Ursprünglichkeit und das spektakuläre Erscheinungsbild der Dolomiten sind weltweit einmalig: Es handelt sich in erster Linie um Strukturen, die an alte und junge Krustenbewegungen (zum Beispiel tektonische Bruchflächen, von Klüften durchzogene Grate, Flusseinschnitte) oder an unterschiedliche Gesteine (hoch aufragende Felswände, sanfte, mit Gras bewachsene Böden, Verebnungen) gebunden sind.

Diese und andere Landschaftsformen sind aus wissenschaftlicher und didaktischer Sicht äußerst lehrreich und sind solche, die an heutige Klimabedingungen und jene der geologischen Vergangenheit gebunden sind. Es finden sich Zeugen aus der Zeit vor der Eiszeit und den Zwischeneiszeiten, nämlich glaziale Erosions- und Ablagerungsformen: abgeschürfte Felsrücken (Rundhöcker), alte Täler, Kare, Moränenablagerungen, Spuren alter gefrorener Böden oder Hinweise auf Gletscherauflastdruck. Die Landschaftsformen, die die heutigen klimatischen Bedingungen widerspiegeln, sind im Hochgebirge durch Prozesse wie Frost-Tauwechsel und die Schwerkraft geprägt: es bilden sich Hangschutt, Schuttkegel und -wälle, Grobblockschutt, Blockgletscher und Lawinenschuttkegel.

In dieser morphologischen Vielfalt und Komplexität spielen besonders durch die Schwerkraft bedingte Massenbewegungen eine zentrale Rolle, die mittlerweile auch durch internationale, wissenschaftliche Fachliteratur bekannt geworden sind. Demgegenüber sind Karstphänomene von eher lokaler Bedeutung: Es findet sich sowohl oberirdischer Karst in Form von Rillen, Dolinen oder Quellen als auch unterirdischer Karst, wie beispielsweise Höhlen oder schlauchförmige Hohlformen (Schlote).
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Dolomiten ein Feldlabor von außergewöhnlichem geomorphologischen Reichtum und globaler Relevanz darstellen, leicht zugänglich und daher ideal sind für Forschungszwecke, Unterrichtslehre und zur Weiterentwicklung von erdwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten.

Geomorphologische Entwicklung der Dolomiten

Die geomorphologische Entwicklung, an der wir teilhaben, ist an verschiedene Ursachen gebunden: Gesteinszusammensetzung, deren Trennflächengefüge und tektonische Bruchflächen, aktuelle klimatische Bedingungen, unterschiedliche Witterungsbedingungen und der Einfluss des Menschen. Außerdem zeigt sich, dass alte, reliktische Formen immer noch das aktuelle Erscheinungsbild des Gebirges prägen: von den glazial geprägten Eisgleitrinnen stürzen Wasserfälle mit beträchtlicher Erosionskraft zu Tal; die Moränenablagerungen unterstehen mehrfachen, aufeinander folgenden Entfestigungen und Zerrüttungen; das Schmelzen antiker Permafrostbereiche kann zu Massenbewegungen führen, die ihren Ursprung im Frost-Tauwechsel (bei kompaktem Gebirge) und in der Wassersättigung (bei feinkörnigem Untergrund) haben.

Das Gebirge mitsamt dem Trennflächengefüge unterliegt aufgrund der Volumenvergrößerung des gefrierenden Wassers fortlaufender Auflockerung, was wiederum zu Sturzprozessen und weiteren Massenbewegungen (Talzuschübe, Hangrutschungen, Muren etc.) führt; Terrassenformen weisen hingegen auf einen Stillstand der geomorphologischen Entwicklung hin, sie sind bewaldet oder werden als landwirtschaftliche Fläche genutzt; in verlandeten Gletscherseen und Sümpfen können beispielhafte Schichtabfolgen mit datierbarem organischen Material erhalten sein, die der Rekonstruktion des ehemaligen Ablagerungsraums dienen; durch die Entlastung aufgrund des Eisrückzuges sind im Bereich von Talausgängen potenzielle Abbruchbereiche entstanden, entlang derer einige der imposantesten Bergstürze stattgefunden haben.

An dieser Stelle seien die Felsstürze der Cinque Torri, im Grödner Tal, im Gadertal, im Fischleintal, der Geisler, der Tofane und des Pomagagnon erwähnt. In den letzten Jahren haben in den Dolomiten, besonders oberhalb von 2000 Höhenmetern, zahlreiche Sturzereignisse stattgefunden - dies infolge des Tauens von fossilem Eis in Kluftsystemen. Erhöhte Temperaturen in den Sommern der letzten Jahre haben zum Schmelzen solcher fossiler Eisbereiche geführt, welche mit diesem Schmelzwasser und mit weiterem Niederschlagswasser gefüllt wurden. In den darauf folgenden Wintern hat sich in denselben Kluftflächen neues Eis gebildet, was zu einer Vergrößerung von circa einem Zehntel des hydrologischen Volumens geführt hat und folglich zu weiterer Auflockerung des Kluftflächengefüges. In den folgenden Sommern füllt sich das Kluftflächengefüge mit weiterem Wasser, was durch die folgende Vereisung wiederum zu Ausweitung, Deformation und Entfestigung des Gebirges führt. Wiederholte Frost-Tauzyklen führen schließlich zum Abbrechen von Gesteinsbrocken und in der Folge zu Sturzphänomenen.

In feinkörnigem, tonigem Material haben ähnliche Prozesse zur Wassersättigung und daher zur Neubildung beziehungsweise Reaktivierung von Rutschungen oder Murgängen geführt, wie zum Beispiel an den Talflanken in verschiedenen Dolomitentälern (Gadertal, Boite, Cordevole).
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